Für die Finanzbranche sind grüne Investments eines der größten Wachstumspotenziale. 409 Milliarden Euro investierten Anleger:innen laut Umweltbundesamt im Jahr 2021 in nachhaltige Fonds; das ist mehr als doppelt so viel wie in 2019 und entspricht einem Marktanteil von 9,4 Prozent. Aber das Thema ist heikel. Denn wie verlässlich sind die Einstufungen der Fonds?
Die Einstufung der Fonds regelt seit März 2021 die EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz SFDR), die Finanzdienstleistungsunternehmen dazu verpflichtet, Informationen über nachhaltige Investitionsentscheidungen in Bezug auf ihre Strategien, Prozesse und Produkte zu veröffentlichen. In die EU-Offenlegungsverordnung wurde das Klassifikationssystem (EU-Taxonomie) zur Ermittlung des Grades der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition integriert. Anbietende kategorisieren ihre Produkte eigenverantwortlich. Und hier beginnt bereits das Problem. Was genau bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit oder die vielzitierte Abkürzung ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung)? Die EU-Kommission hat angekündigt, dass sie nachsteuern wird. Die Offenlegungsverordnung braucht wesentlich restriktivere Präzisierungen und Definitionen von Nachhaltigkeit. Derzeit gibt es drei Kategorien:
- Artikel 6: Herkömmliche Fonds, bei denen die Nachhaltigkeitskriterien nur in geringem Umfang oder gar nicht berücksichtigt werden
- Artikel 8: „Hellgrüne“ Fonds, bei denen ökologische oder soziale Merkmale beworben werden
- Artikel 9: „Dunkelgrüne“ Fonds, bei denen die Nachhaltigkeitsauswirkung verfolgt wird und ein klares Ziel darstellt
Aspekte, die bei der Kategorisierung eine Rolle spielen, können beispielsweise sein, ob Produkte ökologische und soziale Merkmale in der Investitionsentscheidung berücksichtigen oder ob sie eine Nachhaltigkeitsauswirkung (sogenanntes Impact Investing), hier vor allem im gesellschaftlichen Bereich, anstreben.
In den vergangenen Monaten haben einige namhafte Fondsanbieter ausgewählte Fonds zurückgestuft. Insgesamt verblassten mehr als 40 dunkelgrüne Fonds zu hellgrünen Investments. Konsequenzen drohen erst, wenn Anbietende ihre Kund:innen gezielt in die Irre führen, sogenanntes Greenwashing betreiben.
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Regulierungs- und Aufsichtsbehörde der EU für die Finanzmärkte, plant einen Entwurf von Leitlinien für die Verwendung von ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen in den Namen von Fonds. Diese Begriffe sollen die Nachhaltigkeitsmerkmale oder -ziele angemessen und konsistent widerspiegeln. Ein Beispiel: Wenn der Name des Fonds Climate Change Solutions Fund lautet, erfüllt er die Leitlinien dann, wenn mindestens 90 Prozent seiner Investitionen dazu dienen, das durch das Finanzprodukt geförderte Ziel zu erreichen.
Mit der EU-Taxonomie zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und der EU-Offenlegungsverordnung wird eine wertvolle Grundlage geschaffen, Nachhaltigkeitsleistungen in der Finanzwirtschaft transparent zu machen. Private und institutionelle Investor:innen sollen leichter erkennen können, wie nachhaltig die einem Finanzprodukt zugrundeliegenden Investitionen sind. Derzeit sind die Regeln und Vorschriften noch nicht eindeutig genug, aber ein Schritt in die richtige Richtung.