7 Mai 2024

„Sell in May and go away” – oder doch investiert bleiben?

May

Die Börsenregel „Sell in May and go away, but don’t forget to come back in September“ ist ein bekannter Slogan unter Anlegern. Sie besagt, dass die Aktienmärkte in den Sommermonaten tendenziell schwächere Renditen erzielen. Doch stimmt das überhaupt? Die Börsenregel im Faktencheck.

Der Rat der Börsenweisheit lautet, Aktien im Mai zu verkaufen und erst im September wieder einzusteigen. Diese Strategie wird oft mit der saisonalen Schwankung in den Aktienmärkten in Verbindung gebracht, aber ihre Wirksamkeit und Zuverlässigkeit sind unter Experten umstritten.

Wo liegt der Ursprung dieser Börsenregel?

Der Ursprung dieser Börsenweisheit liegt im historischen Verhalten der Aktienmärkte. Die Idee basiert auf der Beobachtung, dass die Monate Mai bis September oft weniger ertragreich sind als die Monate von November bis April. Die genaue Herkunft ist nicht eindeutig dokumentiert, aber es wird oft angenommen, dass sie aus England stammt, wo die wohlhabenden Anleger und Finanziers London im Sommer verließen und aufs Land zogen, was zu einem Rückgang des Handelsvolumens und der Marktaktivität führte.

Was sagt die Wissenschaft?

In den letzten Jahrzehnten haben zahlreiche Studien die „Sell in May“-Strategie untersucht. Eine der bekanntesten Analysen stammt von Bouman und Jacobsen (2002), die Daten aus 37 Ländern überprüften und feststellten, dass die durchschnittlichen Renditen in der Periode von Mai bis Oktober signifikant niedriger waren als in den anderen Monaten. Diese Ergebnisse unterstützten die Idee einer saisonalen Anomalie auf den globalen Märkten.

Wie sah es in den vergangenen Dekaden aus?

Eine Analyse der letzten 25 Jahre zeigt gemischte Ergebnisse. Betrachtet man den S&P 500, zeigt sich, dass in etwa 60% der Jahre im Zeitraum von 1998 bis 2023 die Renditen von Mai bis September tatsächlich niedriger waren als in den Monaten von Oktober bis April. Ähnlich fällt die Analyse der vergangenen zehn Jahre aus. Bei Befolgung der Strategie hätten in vier von zehn Jahren Verluste vermieden werden können, insbesondere in Jahren mit signifikanten Sommerkorrekturen.
Jedoch gibt es bedeutende Ausnahmen, insbesondere während der Covid-19-Pandemie, als in den Jahren 2019-2020 und 2020-2021 während der Sommermonate die Akteinmärkte überraschend stark performten. Auch während der Finanzkrise 2008 gab es sehr starke Sommermonate.
Die durchschnittliche Performance bei Befolgung der „Sell in May“-Strategie variiert. Während einige Jahre eine positive Differenz zwischen dem Vermeiden der Sommermonate und dem Halten der Aktien das ganze Jahr über zeigen, gibt es auch Jahre, in denen diese Strategie zu entgangenen Gewinnen führte, besonders in bullischen Marktphasen.

Was sagen die Kritiker?

Kritiker der „Sell in May“-Strategie argumentieren, dass die Kosten für den Verkauf und späteren Rückkauf von Aktien, Steuern auf realisierte Gewinne und das Risiko, bedeutende Marktbewegungen zu verpassen, die potenziellen Vorteile überwiegen könnten. Moderne Finanztheorien und effiziente Marktmodelle stellen ebenfalls die Prämisse in Frage, dass systematisch vorhersehbare und wiederholbare Muster in den Aktienrenditen existieren.

Und wie lautet nun das Fazit?

„Sell in May and go away“ ist eine hübsch klingende Börsenweisheit, deren Anwendung und Erfolg jedoch stark von den spezifischen Umständen und Marktkonditionen jedes Jahres abhängen. Es gibt viele Beispiel, in welchen diejenigen, die der „Sell in May“-Regel folgten, sehr gute Aktienrenditen verpasst hätten. Das Wichtigste für Langfrist-Anleger ist und bleibt daher, investiert zu sein. Genau das unterscheidet sie von Spekulanten. Erfahrungsgemäß lauert die größte Gefahr darin, nicht investiert zu sein. Übermäßiges Timing von schlichtweg ungewissen Zukunftsereignissen führt in der Regel dazu, dass man zwar vielleicht ein paar schlechte Tage vermeidet, aber viel häufiger die sehr viel wichtigeren besten Tage verpasst.

Foto: KI-generiert